Arzneipflanzenlexikon

Hamamelis - Zauberstrauch

Hamamelis - Zauberstrauch
© Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Hamamelis, Zaubernuss, Zauberhasel – Hamamelis virginiana L.

Familie

Hamamelisgewächse (Hamamelidaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Hamamelis ist in Ostasien und den atlantischen Staaten des amerikanischen Kontinents heimisch und wächst dort als großer Busch in Gebüschen und an Waldrändern vom südlichen Kanada bis Texas und Nordflorida, in Laubwäldern westlich bis Wisconsin, Nebraska und Missouri. Im Jahre 1736 wurde die Hamamelis unter dem Namen „witch hazel“ nach England eingeführt und ist seither in Mitteleuropa als winterharter Busch in Gärten und Parkanlagen sehr beliebt. Als Winterblüher bringt sie im Dezember/Januar mit ihren gelben Blüten ein bisschen Farbe in die Gärten. Die Hamamelis ist im Laub unserer Hasel sehr ähnlich, ihre Blätter sind allerdings auffallend schief und ungleichhälftig. Die Blüten sind durch die vier 1 bis 2 cm langen, fadenförmigen, gelben Kronblätter sehr dekorativ, vor allem bei den Zierformen. Die Früchte wachsen zu holzigen, zweisamigen Kapseln heran.

Nicht klar ist, wie es zum Gattungsname Hamamelis kommt, möglicherweise von gr. ‚hama’ (= gleichzeitig) und ‚melon’ (= Apfel). Das Artepitheton virginiana weist auf die Herkunft der Pflanze (US-Bundesstaat Virginia) hin. Der englische Namen „witch hazel“ steht im Zusammenhang mit der Verwendung der Zweige als Wünschelrute bei der Wassersuche (engl. ‚witch’ = Hexe). Er wurde dann mit „Zaubernuss“ ins Deutsche übersetzt.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die getrockneten Blätter (Hamamelisblätter - Hamamelidis folium) und die getrocknete Rinde (Hamamelisrinde - Hamamelidis cortex).
Die Drogen des Handels werden aus Nordamerika importiert.

Gebräuchlich ist auch eine als „Hamameliswasser“ bezeichnete Zubereitung. Dabei han­delt es sich um ein Wasserdampfdestillat, wofür verschiedene Herstellungsvorschriften existieren. Nach der Vorschrift des Arzneibuchs der Vereinigten Staaten (United States Pharmacopoeia - USP) werden 1 kg frisch geschnittene und getrocknete junge Zweige ca. 24 h mit etwa 2 L Wasser mazeriert; anschließend wird der Ansatz destilliert und 1700 mL Destillat aufgefangen; dieses wird mit 300 mL Alkohol versetzt und sorgfältig gemischt; 1 Teil Hamameliswasser entspricht 2 Teilen Hamameliszweigen (DEV 1:2, Alkoholgehalt ca. 15%).
Die Kommission E beschreibt unter dem Namen Hamameliswasser ein Wasser­dampfdestillat eines Ansatzes von im Frühjahr und im Frühsommer gesammelten frischen Blättern und Zweigen (DEV 1:1,12 bis 2,08; Alkoholgehalt 6% m/m).
Im Ergänzungsband zum DAB 6 (Erg. B. 6) war eine Monographie „Hamameliswasser (Aqua Hamamelidis corticis)“ enthalten; dafür wurden 1000 Teile grob gepulverte ge­trocknete Hamamelisrinde mit 2000 Teilen Wasser und 150 Teilen Alkohol versetzt und 24 Std. stehen gelassen. Danach wurden 1000 Teile abdestilliert, was im Ergebnis einem DEV von 1:1 entspricht.

Inhaltsstoffe der Droge

Hamamelisblätter und Hamamelisrinde enthalten Gerbstoffe; die Blätter vorwiegend kondensierte Gerbstoffe (Catechingerbstoffe), die Rinde vorwiegend hydrolysierbare Gerbstoffe (Gallotannine). Weiterhin sind flüchtige Bestandteile enthalten - manchmal fälschlicherweise auch als „ätherisches Öl“ bezeichnet. Die flüchtige Fraktion besteht bei beiden Drogen hauptsächlich aus Alkanen neben aliphatischen Alkoholen, Aldehyden, Ketonen und Estern. Auch sind flüchtige Terpene enthalten. Flüchtige Phenylpropanoide kommen nur in der Rinde vor.
Bei der Destillation der Hamameliszweige bzw. –blätter oder der Rinde gehen die Gerbstoffe nicht ins Destillat über. Somit enthält Hamameliswasser nur die flüchtigen Bestandteile der Pflanze, wobei sich Blätter und Rinde im Komponentenmuster unter­scheiden.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Hamamelisblätter (Hamamelidis folium)
  • Hamamelisrinde (Hamamelidis cortex)
Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) festgelegt:
  • Hamamelisblätterfluidextrakt (Hamamelidis folii extractum fluidum)
  • Hamamelisrindenfluidextrakt (Hamamelidis corticis extractum fluidum)
Für Hamameliswasser gibt es in Europa keine amtliche Qualitätsbeschreibung; dies­bezüglich wird auf die United States Pharmacopoeia (USP) verwiesen.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Hamamelisrinde
Das HMPC hat Hamamelisrinde als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: innerlich kurzzeitig zur Behandlung von Durchfallerkrankungen; äußerlich bei leichten Verletzungen und lokalen Ent­zündungen der Haut und Entzündungen der Mund­schleimhaut; bei Hämorrhoiden; bei Beschwerden im Zusammenhang mit Krampf­adern wie schmerzende und schwere Beine. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langjährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E: äußerlich bei leichten Hautverletzungen, lokalen Ent­zündungen der Haut und Schleimhäute; bei Hämorrhoiden und Krampfaderbeschwerden.

Durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): zur Besserung der Beschwerden wie Juckreiz, Brennen, leichte Blutungen bei Hämorrhoiden Grad I u. II. Entzündungen der Schleimhaut im Bereich des Darmausgangs.

Hamamelisblätter
Das HMPC hat Hamamelisblätter als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: innerlich zur symptomatischen Behandlung von Beschwerden im Zusammenhang mit Krampfadern wie schmerzende und schwere Beine und bei Hämorrhoiden; äußerlich bei Blutergüssen, Verstauchungen und leichten Hautverletzungen; bei lokalen Entzündungen der Haut und Schleimhaut sowie bei Hämorrhoiden; zur Linderung der Symp­tome bei Neurodermitis und gegen schwere Beine. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langjährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E: äußerlich bei leichten Hautverletzungen, lokalen Entzündungen der Haut und Schleimhäute; bei Hämor­rhoiden und Krampf­aderbeschwerden.

Durch klinische Studien (Zulassung) wurden folgende Anwendungsgebiete für Hamamelisblätter belegt: bei Juckreiz, Nässen und Brennen bei Hämorrhoiden Grad I u. II sowie bei Schleimhautentzündungen im Analbereich.

Hamameliswasser
Das HMPC hat Hamameliswasser als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: Äußerlich zur Behandlung von Blutergüssen, Hautreizungen, Sonnenbrand, Insektenstichen und Hämorrhoiden; außerdem bei leichten Haut- und Schleim­haut­entzündungen. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langj­ährigen Anwendung am Menschen.

Durch klinische Studien (Zulassung) wurden folgende Anwendungsgebiete für Hamameliswasser belegt: bei oberflächlichen Hautverletzungen, lokalen Entzündungen der Haut und Schleimhäute (Cremes); bei Salben zusätzlich: zur Behandlung von Hämorrhoiden im Anfangsstadium (Grad I u. II).

Traditionelle Anwendung

Hamamelisblätter und Hamamelisrinde wurden vom HMPC als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Hamamelisblätter und Hamamelisrinde äußerlich bei leichten Hautentzündungen und bei trockener Haut angewendet werden, außerdem gegen Jucken und Brennen bei Hämorrhoiden sowie als Mundspülung oder Gurgellösung bei leichten Entzündungen der Mundschleimhaut.
Hamameliswasser wurde vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Hamameliswasser bei leichten Hautentzündungen und bei trockener Haut angewendet werden, außerdem zur Linderung von Augenbeschwerden infolge von Augentrockenheit oder hevorgerufen durch Wind und Sonne.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Hamamelisblätter

  • geschnittene Hamamelisblätter zur Bereitung eines Aufgusses (äußerlich)
  • Fluidextrakt in Cremes und Salben
  • Trockenextrakte in Zäpfchen
  • Hamamelis virginiana homöopathische Urtinktur in Salben und flüssigen Zubereitungen
Hamamelisrinde
  • geschnittene oder grob pulverisierte Hamamelisrinde zur Bereitung eines Aufgusses (äußerlich)
  • Trockenextrakte in Zäpfchen
Hamameliswasser
  • Destillat der Blätter und Zweige in Salben, Flüssigkeiten und Lotios

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: Hamamelisblätter und Hamamelisrinde: Zu Umschlägen und Spülungen 3-mal täglich anwenden; Tagesdosis 2 bis 10 g Droge. Hamameliswasser nur als Fertig­arzneimittel anwenden, Dosierung siehe Packungsbeilage.

Bereitung eines Teeaufgusses

Für Umschläge oder Waschungen 5 bis 10 g, für Gurgellösungen und Mundspülungen 2 bis 4 g geschnittene Hamamelisblätter oder Hamamelisrinde mit 250 mL siedendem Wasser übergießen und nach 10 Min. abseihen.

Hinweise

Für die innerliche und äußerliche Anwendung von Hamamelisblättern und Hamamelisrinde während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine Untersuchungen zur Unbe­denklichkeit vor.
Von einer Anwendung von Hamamelisblättern und Hamamelisrinde bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.
Die Anwendung von Hamameliswasser wird wegen nicht ausreichender Erkenntnisse bei Kindern erst ab 6 Jahren empfohlen, die Anwendung am Auge bei Jugendlichen erst ab 12 Jahren und bei Erwachsenen.

Nebenwirkungen

Möglicherweise Kontaktallergien

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2010, 2019), ESCOP (2012), Kommission E (1990), WHO Vol. 2

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Hamamelisblätter, Nr. 0909); Hamamelisrinde, Nr. 2532)

 

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