Arzneipflanzenlexikon

Heidelbeere

Heidelbeere
© Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Heidelbeere, Blaubeere, Bickbeere – Vaccinium myrtillus L.

Familie

Heidekrautgewächse (Ericaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Heidelbeere wächst als Unterwuchs lichter Kiefer- und Fichtenwälder und auf Hoch­mooren in Mittel- und Nordeuropa, Asien und Nordamerika, im Süden bis in die alpine Stufe ansteigend. Unter den heimischen Beeren spielt sie als Wildobst eine wichtige Rolle, wird jedoch heute für den gewerblichen Lebensmittelbereich kaum mehr wild gesammelt, allenfalls noch in Österreich und auf dem Balkan. Heidelbeeren für pharma­zeutische Zwecke stammen fast ausschließlich aus Wildvorkommen. Die reifen Beeren werden mit speziellen Kämmen von der Pflanze abgetrennt, dann entweder getrocknet oder sofort tiefgefroren und damit konserviert.

Der Gattungsname Vaccinium leitet sich ab von lat. ‚bacca’ (= Beere) und ‚baccinium’ (= Beerenstrauch); er wird auch für die Preiselbeere (V. vitis-idea), die Rauschbeere (V. uliginosum) und die Moosbeere (V. oxycoccus) verwendet. Das Artepitheton myrtillus hat ebenfalls lateinische Wurzeln und leitet sich von ‚myrtus’ (= Myrte) ab und bezieht sich auf die Tatsache, dass die Blätter der Heidelbeere denen der Myrte ähnlich sind. In der Tat sind sie so ledrig wie die der Myrte, allerdings kleiner, weshalb die Verkleinerungsform myrtillus gebildet wurde. Im deutschen Namen „Heidelbeere“ stellt das ‚l’ in „Heidel“ ein die Zugehörigkeit ausdrückendes Suffix dar: wie die „Eichel” zur Eiche, gehört die „Heidel” zur Heide (auch Arm und Ärmel).

Die Heidelbeere ist ein sommergrüner 20 bis 50 cm hoher Zwergstrauch mit scharf­kantigen Zweigen, an denen eiförmige, sehr kurz gestielte Blätter mit fein gesägtem Rand sitzen. In den Blattachseln stehen die blassroten bis grünlichen, glockigen Blüten. Die Früchte sind kugelig, blauschwarz, weißlich bereift, sehr saftig und süß.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die reifen Früchte und zwar sowohl in getrocknetem Zustand (Getrocknete Heidelbeerfrüchte - Myrtilli fructus siccus) als auch als frische Beeren (Frische Heidelbeeren – Myrtilli fructus recens) sowie die getrockneten Laubblätter (Heidel­beer­blätter - Myrtilli folium).
Die Drogen des Handels stammen vorwiegend aus Südost-Europa, auch aus Italien und den USA.

Inhaltsstoffe der Droge

Heidelbeerfrüchte enthalten Anthocyane, die getrockneten Früchte zudem noch Catechin­gerbstoffe und Invertzucker.
Heidelbeerblätter enthalten Catechingerbstoffe, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und Irido­ide.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Getrocknete Heidelbeeren (Myrtilli fructus siccus)
  • Frische Heidelbeeren (Myrtilli fructus recens)
  • Eingestellter (standardisierter), gereinigter Trockenextrakt aus frischen Heidelbeeren (Myrtilli fructus recentis extractum siccum raffinatum et normatum)
Die Qualität der Heidelbeerblätter (Myrtilli folium) ist im Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) festgelegt.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Getrocknete Heidelbeeren
Das HMPC hat getrocknete Heidelbeeren als traditionelles pflanzliches Arzneimittel ein­gestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP: bei unspezifischen, akuten Durchfallerkrankungen; äußerlich zur lokalen Therapie bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut sowie von oberflächlichen Wun­den. Diese Anwendungsgebiete stützen sich auf Erkenntnisse der langjährigen An­wendung am Menschen.
Kommission E: unspezifische, akute Durchfallerkrankungen; lokale Therapie leichter Ent­zündungen der Mund- und Rachenschleimhaut.

Frische Heidelbeeren
Das HMPC hat frische Heidelbeeren als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
Frische Heidelbeeren werden ausschließlich zur Herstellung von Anthocyan-reichen Extrakten verwendet, die in Fertigarzneimitteln verarbeitet werden. Dafür formuliert ESCOP folgendes Anwendungsgebiet: unterstützend bei Beschwerden im Zusammenhang mit Krampf­adern wie schmerzende und schwere Beine; außerdem bei mikro-Blutäderchen im Auge sowie bei peripherer Gefäßinsuffizienz (siehe auch „Traditionelle Anwendung“).

Heidelbeerblätter
Das HMPC hat die Bearbeitung von Heidelbeerblätter wegen unzureichender Datenlage eingestellt.
Die Kommission E hat den Heidelbeerblättern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis zugesprochen (Negativmonographie); eine therapeutische Anwendung wird deshalb nicht empfohlen.

Heidelbeerblätter können wegen ihrer adstringierenden Wirkung (Gerb­stoffdroge) allenfalls kurzfristig innerlich in Form eines Teeaufgusses bei leichtem Durch­fall, äußerlich zu Spülungen und Waschungen verwendet werden (volkstümliche Verwendung). Vorsicht ist jedoch geboten bei Deklarationen wie „Zuckertee“ oder „Anti­diabetischer Tee“ und „zur Blut­drucksenkung“, mit denen Heidelbeerblätter in alternativen Märkten bisweilen beworben und angeboten werden.

Traditionelle Anwendung

Getrocknete Heidelbeeren wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können getrocknete Heidel­beeren innerlich bei leichten Durchfällen, äußerlich bei leichten Ent­zündungen der Mund­schleimhaut angewendet werden.

Frische Heidelbeeren wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Trockenextrakte aus frischen Heidelbeeren (DEV 153-76:1; Extraktionsmittel Methanol 70%; Anthocyanidin-Gehalt 25%) inner­lich bei Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen im Zusammenhang mit leichten venösen Durchblutungsstörungen und zur Linderung der Symptome einer Haut­kapillar­fragilität angewendet werden (Besenreiser).
Anthocyane aus frischen Heidelbeerfrüchten werden traditionell angewendet zur Vorbeu­gung von Nachtblindheit (Registrierung als Traditionelles Arzneimittel).

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

  • getrocknete Heidelbeeren zu Abkochungen
  • Anthocyane aus frischen Heidelbeerfrüchten in Dragees
  • geschnittene Heidelbeerblätter zur Teebereitung

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: Getrocknete Heidelbeeren: mehrmals täglich 1 Tasse frisch bereiteten Heidel­beerfruchttee trinken; Tagesdosis 20 bis 60 g Droge. Kinder können auch mehrmals täglich 10 g getrocknete Heidelbeeren kauen oder die zuvor in Wasser eingeweichten Beeren im Brei zu sich nehmen.
Zur Verbesserung der Nachtsehleistung ist nur die Einnahme von Fertigarzneimitteln mit standardisierten Extrakten empfehlenswert (Einzeldosen von 100 mg Anthocyanen).
Heidelbeerblätter: bei Durchfall 3- bis 4-mal täglich 1 Tasse Heidelbeerblättertee trinken.

Bereitung eines Teeaufgusses

Getrocknete Heidelbeerfrüchte: 5 bis 10 g gequetschte Heidelbeerfrüchte werden mit 150 mL kaltem Wasser versetzt, der Ansatz zum Sieden erhitzt und nach 10 Min. vom Herd genommen und noch heiß abgeseiht.
Heidelbeerblätter: 1 bis 2,5 g fein geschnittene Heidelbeerblätter werden mit 150 mL sieden­dem Wasser versetzt und nach 5 bis 10 Min. abgeseiht.

Hinweise

Heidelbeerfrüchte
Bei länger als 3 bis 4 Tage anhaltendem Durchfall ist ein Arztbesuch angeraten.
Von einer Anwendung bei Kindern unter 4 Jahren wird wegen mangelnder Erkenntnisse abgeraten.
Vorsicht: frische Heidelbeeren wirken leicht abführend!

Heidelbeerblätter
Bei längerer Einnahme von Heidelbeerblättern in hohen Dosen können Ver­giftungs­erscheinungen auftreten, weshalb eine Einnahme nicht empfohlen wird (siehe auch „Aner­kannte medizinische Wirkung“ - Negativmonographie der Kommission E).

Nebenwirkungen

Keine bekannt

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2015, 2023), ESCOP (2014), Kommission E (1987, 1990), WHO Vol. 4

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Getrocknete Heidelbeeren, Nr. 1588; Frische Heidelbeeren, Nr. 1602; Eingestellter, gereinigter Trockenextrakt aus frischen Heidelbeeren, Nr. 2394)

 

Adonisröschen    Afrikanischer Pflaumenbaum    Aloe    Andorn    Angelica    Anis    Arnika    Artischocke    Augentrost    Australischer Teebaum    Bärentraube    Baldrian    Beinwell    Belladonna    Benediktenkraut    Bilsenkraut    Birke    Bitterklee    Bittersüßer Nachtschatten    Blutweiderich    Blutwurz    Bockshornklee    Boldostrauch    Brechwurz    Brennnessel    Brombeere    Bruchkraut    Buchweizen    Cannabis    Cayennepfeffer    Chinarindenbaum    Cranberry    Digitalis    Diptam-Dost    Dost    Echinacea    Efeu    Ehrenpreis    Eibisch    Eiche    Eisenkraut    Eleutherococcus    Engelsüß    Engelwurz    Enzian    Ephedra    Erdbeere    Erdrauch    Esche    Eukalyptus    Färberdistel    Faulbaum    Fenchel    Fichte    Fingerhut    Flohkraut / Flohsamen-Wegerich    Frauenmantel    Gänsefingerkraut    Gartenbohne    Gelbwurz    Gewürznelken    Ginkgo    Ginseng    Gliedkraut    Goldrute    Grindelia    Gundelrebe / Gundermann    Habichtskraut    Hafer    Hagebutte    Hamamelis    Hanf    Hauhechel    Heidelbeere    Herzgespann    Hibiscus    Himbeere    Hirtentäschel    Holunder    Hopfen    Huflattich    Indischer Hanf    Indischer Wegerich / Indisches Flohsamen-Kraut    Indischer Weihrauch    Ingwer    Ipecacuanha    Iris    Isländisches Moos    Johannisbeere    Johanniskraut    Kamille    Kamille, Römische    Kapland-Pelargonie    Kapuzinerkresse    Kastanie    Katzenbart    Katzenpfötchen    Kava-Kava    Kiefer    Klette    Knoblauch    Königskerze    Kolabaum    Krauseminze    Kretischer Dost    Kreuzdorn    Kümmel    Kürbis    Kurkuma    Labkraut    Latsche    Lavendel    Lein    Liebstöckel    Linde    Löwenzahn    Lungenkraut    Mädesüß    Mäusedorn    Maiglöckchen    Majoran    Malve    Mariendistel    Mastix    Mate-Teestrauch    Meerrettich    Meerträubel    Meerzwiebel    Melisse    Minze    Mistel    Mönchspfeffer    Moosbeere    Mutterkraut    Myrrhe    Nachtkerze    Odermennig    Ölbaum    Orthosiphon    Passionsblume    Pelargonie    Perubalsam    Pfefferminze    Pflaumenbaum, afrikanischer    Preiselbeere    Primel    Quecke    Quendel    Rauschpfeffer    Rhabarber    Ringelblume    Rizinus    Römische Kamille    Rose    Rosenwurz    Rosmarin    Rosskastanie    Ruhrkraut    Sägepalme    Safran    Salbei    Schachtelhalm    Schafgarbe    Schlafmohn    Schlehdorn    Schleifenblume    Schlüsselblume    Schöllkraut    Schwarznessel    Schwertlilie    Senf    Senna / Sennespflanze    Sibirischer Ginseng    Sideritis    Sojalecithin    Sojapflanze    Sonnenhut    Sonnentau    Spitzwegerich    Stechapfel    Steinklee    Stiefmütterchen    Strohblume    Süßholz    Taigawurzel    Tang / Algen    Taubnessel    Tausendgüldenkraut    Teebaum    Teestrauch    Teufelskralle    Thymian    Tollkirsche    Tolubalsam    Traubensilberkerze    Tüpfelfarn    Vogelknöterich    Wacholder    Walnuss    Wegrauke    Wegwarte    Weide    Weidenröschen    Weihrauch    Weinrebe    Weißdorn    Wermut    Wunderbaum    Zauberstrauch    Zimt    Zistrose    Zwiebel