Arzneipflanzenlexikon

Rosskastanie

Rosskastanie
Foto: Annette Posth

Botanische Bezeichnung

(Gemeine) Rosskastanie – Aesculus hippocastanum L.

Familie

Seifenbaumgewächse (Sapindaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Rosskastanie
Foto: aus Hänsel/Hölzl

Die Rosskastanie ist ein sommergrüner Baum, der Ende des 16. Jahrhunderts aus der Türkei wohl als Bestandteil des Pferdefutters nach Mitteleuropa kam. Heute hat sie in Europa als Allee- und Parkbaum eine große Bedeutung, kommt jedoch auch aus Kulturen verwildert vor. ‚Aesculus’ (lat.) wird beschrieben als „eine dem Jupiter heilige, auf Bergen wachsende Eichenart von hohem Wuchs und festem Holz“. Das Artepitheton hippocastananum leitet sich von gr. ‚hippos’ (= Pferd) und ‚kastanon’ (= Kastanie) her und macht deutlich, dass die Samen als Pferdefutter verwendet wurden; auch sollen sie bei Pferden als Mittel gegen Husten eingesetzt worden sein.

Die Rosskastanie wird bis zu 30 m hoch und trägt die sehr charakteristischen 5- bis 7-zählig gefingerten, großen Blätter. Die weißen bis rosaroten Blüten stehen in großen, aufrechten Trauben wie Kerzen am Ende der Zweige. Blütezeit ist April/Mai. Im Herbst fallen die grünen und stacheligen Früchte von den Bäumen. Sie brechen dabei auf und entlassen jeweils 2 bis 3 große, glänzende, braune Samen, die gerne von Kindern gesammelt werden.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die getrockneten Samen (Rosskastaniensamen - Hippocastani semen). Die Droge wird aus osteuropäischen Ländern importiert. Weniger gebräuchlich ist die Rinde (Rosskastanienrinde - Hippocastani cortex).

Inhaltsstoffe der Droge

Rosskastaniensamen enthalten Triterpensaponine (hauptsächlich Aescine – Aglykon: Protoaescigenin), Stärke, fettes Öl, Proteine.
Rosskastanienrinde enthält Triterpensaponine und Cumarine.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Rosskastaniensamen (Hippocastani semen)
  • Eingestellter (standardisierter) Rosskastanientrockenextrakt (Hippocastani extractum siccum normatum)
  • Rosskastanienrinde (Hippocastani cortex)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Rosskastaniensamen
Das HMPC hat die innerliche Anwendung von Rosskastaniensamen in Form von standardisierten Trockenextrakten (Auszugsmittel Ethanol 40-80%; 6,5-10% Tri­terpen­glykoside – berechnet als Protoaescigenin) als „medizinisch anerkannt“ („well-established use“) akzeptiert. Das Anwendungsgebiet lautet: zur Behandlung der chronisch-venösen Insuffizienz (CVI) mit den dafür typischen Symptomen (geschwollene Beine, Krampfadern, schwere und müde Beine, Schmer­­zen, Juckreiz, Muskel­spannungen und Wadenkrämpfe). Siehe auch „Traditionelle Anwendung“.
Durch klinische Daten belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): bei Krampfadern und trophischen Veränderungen der Haut wie z.B. Unterschenkelgeschwüren sowie bei posttraumatischen oder postoperativen Weichteilschwellungen; außerdem präventiv bei langen Flugreisen.
ESCOP: bei chronisch venöser Insuffizienz und Krampfadern.
Kommission E: Für einen aus Rosskastaniensamen hergestellten eingestellten Trockenextrakt mit einem Gehalt an Triterpenglykosiden von 16-20% (berechnet als Aescin) wurden folgende Anwendungsgebiete formuliert: Behandlung von Beschwerden bei Erkrankungen der Beinvenen (chronische Veneninsuffizienz), z.B. Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, nächtliche Wadenkrämpfe, Juckreiz und Beinschwellungen.

Rosskastanienrinde
Das HMPC hat Rosskastanienrinde als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
Von der Kommission E erhielten Rosskastanienrinde, Rosskastanienblätter und Rosskastanienblüten jeweils eine Negativverabschiedung, da das damals vorhandene wissenschaftliche Erkenntnismaterial die Wirksamkeit nicht belegen konnte. Die Beurteilung der Kommission E kann jeweils als sog. „Nullmonographie“ bezeichnet werden, da nach Erkenntnissen der Kommission E von den Drogen keine Risiken zu erwarten sind.

Traditionelle Anwendung

Rosskastaniensamen
Basierend auf langjähriger Erfahrung wurden vom HMPC Trockenextrakte (Extraktionsmittel 25-50 % Ethanol) mit spezifiziertem Gehalt an Triterpensaponinen (berechnet als Protoaescigenin) sowie andere Trockenextrakte und verschiedene Flüssigextrakte für die innerliche Anwendung und äußer­liche Anwendung (in Form von Salben) als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Die Anwendungsgebiete lauten hierfür: zur Linderung von leich­ten venösen Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen im Zusammenhang mit leichten venö­sen Durchblu­tungsstörungen; außer­dem - in Form von Salben - bei Prellungen mit lokaler Schwellung und Bluterguss (siehe auch „Anerkannte medizinische Anwendung“).

Rosskastanienrinde
Das HMPC hat Rosskastanienrinde als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung kann Rosskastanienrinde innerlich zur Linderung der Beinbeschwerden und von Schweregefühl in den Beinen infolge einer venösen Durchblutungsstörung sowie zur Linderung von Brennen und Jucken bei Hämorrhoiden eingesetzt werden.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Rosskastaniensamen

  • auf Aescin standardisierte Trockenextrakte in Tabletten, Kapseln und Salben
  • auf Aescin standardisierte alkoholische Auszüge in Tropfen und anderen Flüssigkeiten
  • auf Aescin standardisierter Fluidextrakt in Tropfen und Emulsionen
Rosskastanienrinde
  • pulverisierte Rosskastanienrinde zur innerlichen Anwendung

Dosierung

Rosskastaniensamen: Um die Wirkung zu gewährleisten, soll Rosskastaniensamen nur in Form von auf Triterpensaponine (Aescin) standardisierten Fertigarzneimitteln angewendet werden; die Dosierung ist der Packungsbeilage zu entnehmen.
Rosskastanienrinde: Erwachsene 3- bis 6-mal täglich 275 mg pulverisierte Droge

Hinweise

Rosskastaniensamenzubereitungen für äußere Anwendung dürfen nur auf intakte Haut aufgetragen werden.
Während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt anwenden, da noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen ist das Krankheitsbild nicht relevant; die Einnahme von Ross­kastanien­samen und Rosskastanienrinde wird für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht empfohlen.
Beim Auftreten einer Thrombophlebitis, von subcutanen Verhärtungen, von starken Schmer­zen und Geschwüren, bei plötzlichem Anschwellen der Beine sowie bei Herz- bzw. Niereninsuffizienz ist ärztlicher Rat einzuholen.

Nebenwirkungen

Bei Einnahme von Rosskastaniensamen kommt es gelegentlich zu Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Übelkeit und Juckreiz. Letzteres kann auch bei äußerlicher Anwen­dung auftreten.

Wechselwirkungen

Keine bekannt

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2020, 2023), ESCOP (2003), Kommission E (1993, 1994), WHO Vol. 2

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Rosskastaniensamen, Nr. 1830; Eingestellter Rosskastanien­samen­trockenextrakt, Nr. 1830, Rosskastanienrinde, Nr. 2945 - in Arbeit)

 

Adonisröschen    Afrikanischer Pflaumenbaum    Aloe    Andorn    Angelica    Anis    Arnika    Artischocke    Augentrost    Australischer Teebaum    Bärentraube    Baldrian    Beinwell    Belladonna    Benediktenkraut    Bilsenkraut    Birke    Bitterklee    Bittersüßer Nachtschatten    Blutweiderich    Blutwurz    Bockshornklee    Boldostrauch    Brechwurz    Brennnessel    Brombeere    Bruchkraut    Buchweizen    Cannabis    Cayennepfeffer    Chinarindenbaum    Cranberry    Digitalis    Diptam-Dost    Dost    Echinacea    Efeu    Ehrenpreis    Eibisch    Eiche    Eisenkraut    Eleutherococcus    Engelsüß    Engelwurz    Enzian    Ephedra    Erdbeere    Erdrauch    Esche    Eukalyptus    Färberdistel    Faulbaum    Fenchel    Fichte    Fingerhut    Flohkraut / Flohsamen-Wegerich    Frauenmantel    Gänsefingerkraut    Gartenbohne    Gelbwurz    Gewürznelken    Ginkgo    Ginseng    Gliedkraut    Goldrute    Grindelia    Gundelrebe / Gundermann    Habichtskraut    Hafer    Hagebutte    Hamamelis    Hanf    Hauhechel    Heidelbeere    Herzgespann    Hibiscus    Himbeere    Hirtentäschel    Holunder    Hopfen    Huflattich    Indischer Hanf    Indischer Wegerich / Indisches Flohsamen-Kraut    Indischer Weihrauch    Ingwer    Ipecacuanha    Iris    Isländisches Moos    Johannisbeere    Johanniskraut    Kamille    Kamille, Römische    Kapland-Pelargonie    Kapuzinerkresse    Kastanie    Katzenbart    Katzenpfötchen    Kava-Kava    Kiefer    Klette    Knoblauch    Königskerze    Kolabaum    Krauseminze    Kretischer Dost    Kreuzdorn    Kümmel    Kürbis    Kurkuma    Labkraut    Latsche    Lavendel    Lein    Liebstöckel    Linde    Löwenzahn    Lungenkraut    Mädesüß    Mäusedorn    Maiglöckchen    Majoran    Malve    Mariendistel    Mastix    Mate-Teestrauch    Meerrettich    Meerträubel    Meerzwiebel    Melisse    Minze    Mistel    Mönchspfeffer    Moosbeere    Mutterkraut    Myrrhe    Nachtkerze    Odermennig    Ölbaum    Orthosiphon    Passionsblume    Pelargonie    Perubalsam    Pfefferminze    Pflaumenbaum, afrikanischer    Preiselbeere    Primel    Quecke    Quendel    Rauschpfeffer    Rhabarber    Ringelblume    Rizinus    Römische Kamille    Rose    Rosenwurz    Rosmarin    Rosskastanie    Ruhrkraut    Sägepalme    Safran    Salbei    Schachtelhalm    Schafgarbe    Schlafmohn    Schlehdorn    Schleifenblume    Schlüsselblume    Schöllkraut    Schwarznessel    Schwertlilie    Senf    Senna / Sennespflanze    Sibirischer Ginseng    Sideritis    Sojalecithin    Sojapflanze    Sonnenhut    Sonnentau    Spitzwegerich    Stechapfel    Steinklee    Stiefmütterchen    Strohblume    Süßholz    Taigawurzel    Tang / Algen    Taubnessel    Tausendgüldenkraut    Teebaum    Teestrauch    Teufelskralle    Thymian    Tollkirsche    Tolubalsam    Traubensilberkerze    Tüpfelfarn    Vogelknöterich    Wacholder    Walnuss    Wegrauke    Wegwarte    Weide    Weidenröschen    Weihrauch    Weinrebe    Weißdorn    Wermut    Wunderbaum    Zauberstrauch    Zimt    Zistrose    Zwiebel