Arzneipflanzenlexikon

Mistel

Mistel
© Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Mistel – Viscum album L.

Familie

Sandelholzgewächse (Santalaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der vorwiegend auf Laubbäumen wächst und in den gemäßigten Zonen Europas und Asiens verbreitet ist. Als Halbschmarotzer lebt sie auf Bäumen und entzieht dem „Wirt“ nur Wasser und Nährsalze. Die energiereichen orga­nischen Verbindungen produziert die Mistel selbst mit ihren eigenen, das ganze Jahr über grünen Blättern durch Photosynthese. Somit wird der Wirtsbaum durch Mistel­bewuchs nicht nachhaltig geschädigt.

Wenn die Laubbäume im Herbst ihr Laub abgeworfen haben, erkennt man die Misteln auf Pappeln, Birken, Weiden und anderen Laubbäumen. Es sind kugelige, im Durchmesser etwa 1 m große Halbsträucher, an Vogelnester erinnernd. Aus einem kurzen Stamm entspringen grünbraune, gabelig verzweigte Zweige. Die Laubblätter sind ledrig, ganz­randig, lanzettlich bis breit-zungenförmig. Am Ende jedes Gabelgliedes sitzt eine Blüten tragende Spitze. Die Blüten selbst sind eher unscheinbar. Auffallend sind die erbsen­großen weißen Scheinbeeren mit ihrem schleimig klebrigen Inhalt, die sich aus den weiblichen Blüten bilden. Blütezeit ist Februar bis Mai, die Beeren reifen spät im Herbst. Nach einem alten Brauch werden grüne Mistelzweige mit den weißen Beeren in der Weihnachtszeit zur Abwehr von Dämonen an den Türen der Häuser angebracht.

Der lateinische Name Viscum album nimmt möglicherweise Bezug auf die Tatsache, dass früher aus den weißen Beeren der sog. Vogelleim hergestellt wurde (lat. ‚viscum’ = Leim). Damit bestrich man Leimruten und fing damit die als Mahlzeit begehrten Singvögel, vor allem die Misteldrossel (Turdus viscivorus). Die deutsche Bezeichnung „Mistel“ spielt darauf an, dass die Pflanze sich mit Hilfe des Vogelmists fortpflanzt. Die Beeren werden von Drosseln gefressen, wobei die Samen den Vogeldarm unverdaut passieren und so durch die Kotabscheidung verbreitet werden.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet wird das getrocknete Kraut bestehend aus jüngeren Zweigen mit Blättern, Blüten und vereinzelten Früchten (Mistelkraut - Visci herba).
Die Droge wird aus den Balkanländern, der Türkei und Russland eingeführt.

Inhaltsstoffe der Droge

Mistelkraut enthält Mistellectine (Ribosomen-inaktivierende Proteine), Oligopeptide (Visco­toxine 0,05-0,1%), Flavonoide, Lignane, Kaffeesäurederivate und Phytosterole.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität von Mistelkraut (Visci herba) ist im Deutschen Arzneibuch (DAB) festgelegt.

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

HMPC: Nach Überprüfung der Datenlage zur Misteltherapie bei Krebsleiden kam das HMPC zu dem Ergebnis, dass Mistelkraut weder als „medizinisch anerkannt“ („well-established use“) noch als „Traditionelles Arzneimittel“ eingestuft werden kann.
ESCOP: Mistelkraut wurde bisher nicht bearbeitet.
Kommission E: Zur Segmenttherapie bei degenerativ entzündlichen Gelenkerkrankungen durch Auslösung cuti-visceraler Reflexe nach Setzen lokaler Entzündungen durch intra­kutane Injektionen; zur Palliativtherapie im Sinne einer unspezifischen Reiztherapie bei malignen Tumoren.
Die von den Kommissionen E (Phytotherapie), C (Anthroposophie) und D (Homöopathie) erarbeiteten Aufbereitungsmonographien zur Mistel stammen aus den Jahren 1984 bis 1994. Auch nach dieser Zeit wurde und wird die immunstimulierende und krebs­bekämpfende Wirkung der Mistel intensiv beforscht, wobei besonders die im Mistel­kraut enthaltenen Mistellectine im Focus stehen. Sie beeinflussen die Freisetzung von Zytokinen, die als Mediatoren wichtige Prozesse des Immunsystems vermitteln und zwar durchaus auch im Sinne der Bekämpfung von Tumorzellen. Zytokine haben jedoch zwei Gesichter, denn sie können auch die Teilung von Tumorzellen stimulieren und somit außer der Verbesserung des Immunstatus eine Beschleunigung des Tumorwachstums bewirken. Klinische Studien mit Tumorpatienten, die mit Phytotherapeutika mit einem standardi­sierten Mistellectingehalt behandelt wurden, haben allerdings bisher keine bemerkens­werte Wirkung erkennen lassen. Es verbesserten sich jedoch die Lebensqualität, der Appetit, die Stimmungslage sowie der Allgemeinzustand und die Leistungsfähigkeit der Patienten. Die Studienlage hat zur Zulassung von Mistelinjektionspräparaten‚ zur Palliativ­therapie im Sinne einer unspezifischen Reiztherapie bei malignen Tumoren’ geführt (allopathische Phytotherapie). Die Behandlung gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Ärztinnen.
Ein anderer Denkansatz ist der Hintergrund der anthropo­sophischen Krebstherapie mit anthroposophischen Mistelpräparaten. Sie geht auf Rudolf Steiner zurück, der die Anwendung von Mistelextrakten in der Krebstherapie 1921 einführte. Er deklarierte die besondere Spiritualität der anthroposophischen Mistelpräparate im Rahmen seiner metaphysisch-esoterischen, dogmatischen Arzneimittellehre als kausalen Heilfaktor. Solche Präparate sind im Arzneimittelrecht den „Besonderen Therapierichtungen“ zugeordnet und dürfen nach den Erkenntnissen der Kommission C (ehemals zuständig für anthropo­sophische Arzneimittel) „zur Behandlung bösartiger und gutartiger Geschwulst­krankheiten, bösartiger Erkrankungen und begleitende Störungen der Blut bildenden Organe und zur Anregung der Knochenmarkstätigkeit und zur Vorbeugung gegen Rückfälle nach Ge­schwulstoperationen” angewendet werden. Diese Behandlungsform kann nur von dafür ausgebildeten Ärzten oder Ärztinnen vorgenommen werden. Der wissenschaftliche Beweis steht aus.

Traditionelle Anwendung

Mistelkraut wird, auch in Kombination mit anderen Drogen, traditionell angewendet zur Unterstützung der Herz-Kreislauffunktion (traditionelle Anwendung nach § 109a).

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Phytotherapie zur Palliativtherapie bei Tumoren

  • wässriger Mistel-Auszug in Injektionslösungen
  • Fluidextrakt in Injektionslösungen
Phytotherapie zur Unterstützung der Kreislauffunktion
  • geschnittenes Mistelkraut zur Teebereitung
  • Pulver in Tabletten
  • Trockenextrakte in Dragees
  • Tinktur und andere alkoholische Extrakte in Tropfen
  • Viscum album homöopathische Urtinktur in Tropfen
Anthroposophische Arzneimittel zur Krebstherapie
  • Frischpflanzenpresssäfte aus Mistelkraut verschiedener Wirtsbäume in Injektionslösungen
  • Fermentierte wässrige Auszüge aus Apfelbaummistel in Injektionslösungen

Dosierung

Fertigarzneimittel: siehe Packungsbeilage;
Teeaufguss: Das Trinken von Misteltee oder die Einnahme von Mistelzubereitungen ist nur im traditionellen Sinne zur Unterstützung der Herz-Kreislauffunktion sinnvoll; so ist Mistelkraut Bestandteil verschiedener Herz-Kreislauf-Teemischungen; 1- bis 2-mal täglich 1 Tasse Misteltee trinken.
Zur adjuvanten Therapie von Krebserkrankungen müssen Mistel­zubereitungen grund­sätzlich injiziert werden.

Bereitung eines Teeaufgusses

2,5 g fein geschnittenes Mistelkraut wird mit kaltem Wasser übergossen und bei Raum­temperatur 10 bis 12 Stunden stehen gelassen und dann abgeseiht.

Hinweise

Eine Krebstherapie mit Mistelzubereitungen zur Injektion gehört in die Hand erfahrener Ärzte und Ärztinnen; sie ist nicht angezeigt bei Vorliegen einer Eiweiß-Überempfindlichkeit und bei chronisch-progredienten Infektionen (z.B. Tuberkulose) sowie bei akut ent­zündlichen und hoch fieberhaften Erkrankungen.
Während der Schwangerschaft und Stillzeit darf Mistelkraut in keiner Form angewendet werden.

Nebenwirkungen

Bei Injektion von Mistelzubereitungen kann es zu Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerzen, pektanginösen Beschwerden, Kreislaufstörungen, allergischen Reaktionen, und zu ent­zündlichen Reizerscheinungen der Venen kommen; außerdem können sich am Injektions­ort subkutane Knoten bilden, außerdem kann es zu Lymphknotenschwellungen und zur Aktivierung von Entzündungen und zu Symptomen einer Hirndruckerhöhung bei Hirn- und Rückenmarkstumoren kommen.

Wechselwirkungen

Mistelkraut soll nicht mit anderen Immunstimulanzien kombiniert werden.

Literaturhinweise

Drogenmonographien

HMPC (2013), Kommission E (1984)

Weiterführende Literatur

Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka
Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Deutschen Arzneibuch (Mistelkraut)

 

Adonisröschen    Afrikanischer Pflaumenbaum    Aloe    Andorn    Angelica    Anis    Arnika    Artischocke    Augentrost    Australischer Teebaum    Bärentraube    Baldrian    Beinwell    Belladonna    Benediktenkraut    Bilsenkraut    Birke    Bitterklee    Bittersüßer Nachtschatten    Blutweiderich    Blutwurz    Bockshornklee    Boldostrauch    Brechwurz    Brennnessel    Brombeere    Bruchkraut    Buchweizen    Cannabis    Cayennepfeffer    Chinarindenbaum    Cranberry    Digitalis    Diptam-Dost    Dost    Echinacea    Efeu    Ehrenpreis    Eibisch    Eiche    Eisenkraut    Eleutherococcus    Engelsüß    Engelwurz    Enzian    Ephedra    Erdbeere    Erdrauch    Esche    Eukalyptus    Färberdistel    Faulbaum    Fenchel    Fichte    Fingerhut    Flohkraut / Flohsamen-Wegerich    Frauenmantel    Gänsefingerkraut    Gartenbohne    Gelbwurz    Gewürznelken    Ginkgo    Ginseng    Gliedkraut    Goldrute    Grindelia    Gundelrebe / Gundermann    Habichtskraut    Hafer    Hagebutte    Hamamelis    Hanf    Hauhechel    Heidelbeere    Herzgespann    Hibiscus    Himbeere    Hirtentäschel    Holunder    Hopfen    Huflattich    Indischer Hanf    Indischer Wegerich / Indisches Flohsamen-Kraut    Indischer Weihrauch    Ingwer    Ipecacuanha    Iris    Isländisches Moos    Johannisbeere    Johanniskraut    Kamille    Kamille, Römische    Kapland-Pelargonie    Kapuzinerkresse    Kastanie    Katzenbart    Katzenpfötchen    Kava-Kava    Kiefer    Klette    Knoblauch    Königskerze    Kolabaum    Krauseminze    Kretischer Dost    Kreuzdorn    Kümmel    Kürbis    Kurkuma    Labkraut    Latsche    Lavendel    Lein    Liebstöckel    Linde    Löwenzahn    Lungenkraut    Mädesüß    Mäusedorn    Maiglöckchen    Majoran    Malve    Mariendistel    Mastix    Mate-Teestrauch    Meerrettich    Meerträubel    Meerzwiebel    Melisse    Minze    Mistel    Mönchspfeffer    Moosbeere    Mutterkraut    Myrrhe    Nachtkerze    Odermennig    Ölbaum    Orthosiphon    Passionsblume    Pelargonie    Perubalsam    Pfefferminze    Pflaumenbaum, afrikanischer    Preiselbeere    Primel    Quecke    Quendel    Rauschpfeffer    Rhabarber    Ringelblume    Rizinus    Römische Kamille    Rose    Rosenwurz    Rosmarin    Rosskastanie    Ruhrkraut    Sägepalme    Safran    Salbei    Schachtelhalm    Schafgarbe    Schlafmohn    Schlehdorn    Schleifenblume    Schlüsselblume    Schöllkraut    Schwarznessel    Schwertlilie    Senf    Senna / Sennespflanze    Sibirischer Ginseng    Sideritis    Sojalecithin    Sojapflanze    Sonnenhut    Sonnentau    Spitzwegerich    Stechapfel    Steinklee    Stiefmütterchen    Strohblume    Süßholz    Taigawurzel    Tang / Algen    Taubnessel    Tausendgüldenkraut    Teebaum    Teestrauch    Teufelskralle    Thymian    Tollkirsche    Tolubalsam    Traubensilberkerze    Tüpfelfarn    Vogelknöterich    Wacholder    Walnuss    Wegrauke    Wegwarte    Weide    Weidenröschen    Weihrauch    Weinrebe    Weißdorn    Wermut    Wunderbaum    Zauberstrauch    Zimt    Zistrose    Zwiebel