Arzneipflanzenlexikon

Tollkirsche

Tollkirsche
© Sertürner Bildarchiv

Botanische Bezeichnung

Gewöhnliche Tollkirsche - Atropa belladonna L.

Familie

Nachtschattengewächse (Solanaceae)

Wissenswertes zur Pflanze

Die Tollkirsche ist eine in Europa heimische Giftpflanze (!), auch kommt sie in Asien ostwärts bis zum Himalaya und im mediterranen Afrika vor. In Deutschland wächst sie im südlichen und mittleren Teil, in Norddeutschland fehlend. Sie wächst in Laubwäldern, Waldschlägen und am Waldrand.

Der Name „Tollkirsche” bezieht sich auf die Wirkung der kirschähnlichen schwarzen, glänzenden Früchte. Beim Verzehr bewirken sie Tollwut-ähnliche Symptome, zunächst eine allgemeine Erregung, die sich bis zur starken Euphorie mit Halluzinationen aber auch zu Weinkrämpfen steigert, immer kombiniert mit einem starken Bewegungsdrang bis zu Anfällen von Tobsucht. Tod durch Atemlähmung. Wegen ihrer unabwendbar tödlichen Wirkung hat die Pflanze als Gattungsnamen den Namen der Schicksalsgöttin Atropos (die Unabwendbare) bekommen. In der griechischen Mythologie schneidet sie den Lebensfaden ab. Das Artepitheton belladonna, übersetzt heißt dies „schöne Frau”, nimmt auf die Pupillen-erweiternde Wirkung der in allen Pflanzenteilen enthaltenen Tropan-Alkaloide Bezug. So können sich schon beim Reiben der Augen nach Berühren der Pflanze, in jedem Fall aber beim Verzehr der Kirschen die Pupillen deutlich erweitern, was eine Frau sehr ziert. Angeblich haben sich Frauen früher den Beerensaft in die Augen geträufelt, um attraktiver auszusehen.

Die Tollkirsche ist mehrjährig, bis 1,5 m hoch mit sehr ausladenden Ästen. Die Blätter sind bis 20 cm lang, aus jeder Blattachsel wächst eine langstielige Blüte. Die Blüten sitzen in einem 5-zipfeligen Kelch, sie sind 5-lappig glockenförmig, innen violettbraun, außen hellbraun. Die Frucht ist eine kirschgroße schwarze, stark glänzende Beere, vom Kelch sternförmig umgeben. Ihr Kirsch-ähnliches Aussehen, ihr Glanz und ihr süßer Geschmack wirkt auf Kinder sehr anziehend (Vorsicht Giftwirkung, s.o.), bei Kindern gelten 3 bis 4 Beeren als tödlich. Blütezeit ist Juni/Juli, Fruchtreife im September.

Arzneilich verwendete Pflanzenteile (Droge)

Verwendet werden die getrockneten Blätter oder die getrockneten Blätter mit blühenden und gelegentlich Früchte tragenden Zweigspitzen (Belladonnablätter - Belladonnae folium). Die Droge des Handels stammt aus Kulturen in verschiedenen Ländern Europas.

Inhaltsstoffe der Droge

Belladonnablätter enthalten stark wirkende Tropan-Alkaloide, die wichtigsten davon sind L-Hyoscyamin, Atropin (das Racemat des L-Hyoscyamins), Scopolamin und Belladonnin; außerdem Flavonoide und Cumarine. Die Tropan-Alkaloide sind für die Giftigkeit der Pflanze verantwortlich.

Qualitätsbeschreibungen

Die Qualität folgender Drogen bzw. Drogenzubereitungen ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) festgelegt:

  • Belladonnablätter (Belladonnae folium)
  • Eingestellter Belladonnatrockenextrakt (Belladonnae folii extractum siccum norma­tum)
  • Eingestelltes Belladonnapulver (Belladonnae pulvis normatus)
  • Eingestellte Belladonnatinktur (Belladonnae folii tinctura normata)
  • Belladonna für homöopathische Zubereitungen (Atropa belladonna ad praeparationes homoeopathicas)

Medizinische Anwendung

Anerkannte medizinische Anwendung

Früher wurden Belladonnablätter und Belladonnablätter-Zubereitungen bei Krämpfen und kolikartigen Schmerzen im Magen-Darmtrakt und der Gallenwege angewendet. Wegen der geringen therapeutischen Breite (starke Giftwirkung der Tropan-Alkaloide!) ist dies problematisch und sollte nicht mehr praktiziert werden. Belladonnablätter und die daraus isolierten Alkaloide (Hyoscyamin, Atropin) sind stark wirksame Arzneimittel und dürfen phytotherapeutisch nicht verwendet werden. Aus diesem Grunde wurden Bella­donnablätter weder vom HMPC noch von der ESCOP bearbeitet. Die Kommission E hat 1985 noch eine Monographie erstellt, das Anwendungsgebiet lautet dort: Spasmen und kolikartige Schmerzen des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege.

Traditionelle Anwendung

Wegen des Gehalts an stark wirksamen Alkaloiden verbietet sich eine Einstufung von Bella­donnablätter als pflanzliches traditionelles Arzneimittel im Sinne des § 39a AMG.

Arzneiliche Drogenzubereitungen in Fertigarzneimitteln

Keine; das aus Belladonnablättern isolierte Atropin wird in Form von Atropinsulfat in der Augenheilkunde als Mydriatikum, d.h. zur Erweiterung der Pupillen für Augenhintergrund-Untersuchungen eingesetzt.

Dosierung

entfällt

Bereitung eines Teeaufgusses

entfällt

Hinweise

Belladonnablätter sind giftig (starke zentrale Wirkung!), sodass eine Anwendung der Droge bzw. der Fertigarzneimittel nur unter der Aufsicht des Arztes in Frage kommt. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren dürfen Belladonnablätter nicht anwenden.

Literaturhinweise

Drogenmonographien

Kommission E (1985)

Weiterführende Literatur

Schilcher: Leitfaden Phytotherapie
Van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen
Kommentar zum Europäischen Arzneibuch (Belladonnablätter, Nr. 0221; Eingestellter Belladonnatrockenextrakt, Nr. 1294; Eingestelltes Belladonnapulver, Nr. 0222; Eingestellte Belladonnatinktur, Nr. 1812; Belladonna für homöopathische Zubereitungen, Nr. 2489)

 

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